Gene Drives als Biowaffe Militarische Anwendungen bearbeitet

Worum geht es?
Gene Drives (GD) eignen sich nicht nur für friedliche Zwecke. Diese potente Technologie, die den Genpool einer Population so verändern kann, dass sich eine bestimmte genetische Erbinformation rasch innerhalb der gesamten Population durchsetzt, schafft auch neue Biosicherheitsrisiken. Denn mit der gleichen Technologie können relativ leicht biologische Waffe hergestellt werden. So könnte die mutagene Kettenreaktion beispielsweise dazu eingesetzt werden, Pathogene effektiver auf Mensch und Tier zu übertragen oder die Nahrungsgrundlagen massiv zu schädigen. Weil sie grossflächig einsetzbar ist, könnte die Gene-Drive-Technologie schnell und unaufhaltbar unter die Kontrolle der mächtigsten militärischen Akteure geraten. Entscheidungen über Entwicklung, Nutzung und Regulierung von Gene Drives drohen neben kommerziellen Interessen auch von geo- und sicherheitspolitischen Überlegungen bestimmt zu werden.

Die Forschung mit Insekten, die mit Gene Drives versehen wurden, läuft auf Hochtouren. Mücken, in denen sich der Malariaerreger dank Gene Drives nicht mehr fortpflanzen kann, sollen humanitären Zwecke dienen, und Millionen von Menschen vor Malaria beschützen. Mit dieser an sich lobenswerten Anwendung wird am häufigsten für diese neue Technologie geworben. Zu Mücken, die im Gegensatz dazu, Krankheitserreger mit Hilfe eines Gene Drives viel effektiver verbreiten, wird weitgehend geschwiegen. Dabei sind die Möglichkeiten, Insekten als Biowaffen einzusetzen, vielfältig. Allein die Tatsache, dass DARPA, die Forschungsagentur des US-Verteidigungsministeriums, Millionen von Dollars in die Gene-Drive-Forschung investiert, sollte stutzig machen.
Neben der Übertragung von Krankheiten können GD-Insekten zum Beispiel auch dazu missbraucht werden, Nützlinge wie beispielsweise Bestäuberinsekten gezielt zu schwächen oder gar auszurotten. So könnten GD-Insekten zu Biowaffen werden, die gesamte Ernten einer feindlichen Macht vernichten könnten. Es könnten auch Gene Drives entwickelt werden, die dazu beitragen, Insektizidresistenzen bei Pflanzenschädlingen zu erzeugen. Dabei besteht die Gefahr, dass die als Transportmittel für das eingebaute Gene-Drive-Programm benutzten Insekten sich schnell vermehren und räumlich kaum begrenzt werden können. Würden sie als Träger eines schädlichen Gene Drives freigelassen, wären sie möglicherweise nicht mehr aufzuhalten. Dies könnte weltweit katastrophale Folgen haben.

Teure Forschungsprojekte mit möglichem Missbrauchspotenzial in den USA
Zurzeit laufen in den USA zwei mehrjährige Programme, die zur Erforschung und Entwicklung von Gene-Drive-Organismen beitragen. Finanziert werden beide von der DARPA. Zwar werden als Forschungsmotive Grundlagenforschung und friedliche Ziele genannt, doch das US-Verteidigungsministerium lässt auch verlauten, die Programme seien auch gestartet worden, um die "nationale Sicherheit gegen Angriffe zu verteidigen". Tatsächlich gibt es aus militärischer Sicht nachvollziehbare Motive für die USA aber auch für andere Grossmächte die Gene-Drive-Technologie so schnell wie möglich zu entwickeln und zu perfektionieren. Denn alle können glaubhaft darlegen, dass es wichtig sei, potentiell feindlichen Konkurrenten einen Schritt voraus zu sein, was die Möglichkeit betrifft, einer freigesetzten Gene-Drive-Biowaffe entgegenzuwirken. Doch daraus entsteht ein neues Wettrüsten. Dies ist eine bedrohliche Perspektive. Daher werden auch Forderungen nach Abbruch der Programme laut. Besorgte Wissenschaftler begründen dies mit dem Argument, bei den zum Übertragen der Viren verwendeten Insekten handle es sich um verbotene Einsatzmittel im Sinne des Übereinkommens über das Verbot biologischer Waffen. 

"Safe Genes" ein Programm mit einer Laufzeit von vier Jahren wurde 2017 gestartet. Es verfügt über ein Budget von 65 Millionen Dollars. Laut DARPA soll das Programm drei Ziele verfolgen. Einerseits versuchen die Forscher die technischen Hürden zu überwinden, die das Funktionieren von Gene Drives noch behindern. Auch wird nach Kontrollmechanismen gesucht, welche die Wirkung der mutagenen Kettenreaktion räumlich begrenzen können. Zudem sollen Mechanismen entwickelt werden, die einen Gene Drive rückgängig machen können, bzw. von anderen Akteuren freigesetzte Gene Drives stoppen. Die DARPA betont zwar, dass es im Rahmen dieses Programmes zu keinen Freisetzungen kommen wird, doch viele Projekte sind mit Akteuren vernetzt, die an einer Freisetzung durchaus interessiert sind.

Das 2016 lancierte Programm "Insect Allies" (verbündete Insekten) wird mit 27 Millionen Dollar unterstützt. Zwar werden im Rahmen des Programmes keine Gene-Drive-Organismen entwickelt. Die Ergebnisse des Projekts könnten aber leicht mit denen von Safe Genes kombiniert und für die biologische Kriegsführung missbraucht werden. Das Ziel des Projekts ist, bereits auf den Äckern wachsende Nutzpflanzen mithilfe von gentechnisch manipulierten Viren grossflächig zu verändern.
Als Transportmittel für das Virus sollen Insekten wie pflanzensaugende Blattläuse oder Grashüpfer dienen. So könnten die Pflanzen im Freiland gegen verschiedene Stressfaktoren gestählt werden. Vorstellen soll man sich dies folgendermassen: sobald eine Trockenperiode prognostiziert wird, bestellen die Landwirte bei einer Firma Blattläuse, die ein gentechnisch verändertes Virus tragen. Beginnen die Blattläuse an den Blättern zu saugen, wird dieses Virus auf die Pflanze übertragen. Mithilfe der eingebauten Genschere CRISPR/Cas kann es das Erbgut aller Pflanzen auf dem Acker so editieren, dass sie gegen die bevorstehende Trockenheit widerstandsfähiger werden.

Die Idee, Insekten als Biowaffen einzusetzen ist nicht neu. Schon 1950 warnte das Propagandaministerium der DDR vor einem Angriff mit Kartoffelkäfern auf deutschen Äckern. Im zweiten Weltkrieg spielten auch Grossbritannien und Frankreich mit der Idee, Kartoffelernten auf diese Weise zu zerstören. Diese Pläne scheiterten jedoch, denn man fürchtete, das Ungeziefer könnte auch die heimischen Knollen schädigen.
Die im Rahmen des Programmes Insect Allies entwickelte Technologie kann leicht zur Biowaffe umfunktioniert werden. Dazu genügt es, dass das Virus mithilfe der Genschere bestimmte Gene funktionsuntüchtig macht. Das Fehlen dieses Gens schadet den Pflanzen. Auf diese Weise könnte die Bildung keimfähiger Samen und damit die Saatgutproduktion verhindert werden. Gene auszuschalten, ist in der Regel leichter, als sie zu optimieren. Bereits eine vereinfachte Version des Gene Drive-Verfahrens reicht also aus, um eine Biowaffe zu kreieren. Würde ein feindlicher Akteur heimlich Blattläuse mit solchen veränderten Viren freilassen, könnte die gesamte Ernte einer Region vernichtet werden.